Montag, 4. November 2019

Mein Lebens als Leiharbeiter im Rettungsdienst


da viele Interesse an meiner Tätigkeit als Leiharbeiter im Rettungsdienst haben und ich auch gerne darüber berichte: hier mein Blogbeitrag

Erstmal möchte ich differenzieren zwischen Honorartätigkeit und Leiharbeit.

Gelegentlich mache ich auch Honorardienste. Genauso wie es Notärzte gibt, die als Honorarkraft freiberuflich Dienste übernehmen, mache ich dies auch als Rettungsassistent. Allein darüber könnte man einen ganzen Beitrag schreiben.
Kurz: du nimmst was du kriegst oder eben nicht. Die Auftraggeber sind teilweise sehr wählerisch. Du musst dich selbst versichern und je nach Situation auch Sozialabgaben/Steuern zahlen. Daher ist der Stundenlohn zwischen 25,00€ bis zu 38,00€ relativ zu sehen. Man verhandelt sein Honorar selbst und muss abschätzen was realistisch raus zu holen ist. Ein Chemieunternehmen zahlt sicherlich mehr als ein Kreisverband.
Dafür musst du halt auch liefern: keinen Einarbeitungsdienst und Geräteeinweisungen solltest du auch mitbringen. Ist nicht jedermanns Sache. Ich persönlich mache das mittlerweile auch eher selten, meistens passen die Angebote nicht in meinen Terminkalender.
Honorartätigkeiten gibt es übrigens auch an Schulen als Dozent.

Aber das sind die Honorartätigkeiten und ein eigenes Thema.

Zur Leiharbeit kam ich, als ich während des Studiums mich bei einer Agentur beworben habe und mir Angebote hab zuschicken lassen.

Irgendwann wurde kurzfristig jemand für die Bodensee-Region gesucht. Ich hatte Zeit und wollte eh mal was anderes sehen. Rettungsdienst hatte ich bis dahin pausiert, weil mich das Gehalt und die Arbeitsbedingungen mega angekotzt hatten.

Ich hatte zunächst immer wieder 2 Wochen Einsätze, sodass es sich für alle Beteiligten auch gelohnt hat. Zum einen wollte ich mir das erst mal angucken, zum anderen konnte ich terminlich nicht anders. Deshalb bin ich in den Semesterferien immer wieder in solchen 14 tägigen Blöcken gefahren.

Irgendwann gefiel es mir in der #Schwabenrettung nicht mehr, das lag aber an den Rahmenbedingungen der Hilfsorganisation und keines weg an de super tollen Kollegen, die mich ohne wenn und aber als Kollegen in ihre Mitte aufgenommen haben. Ich fragte nach einem anderen Einsatzort, der ggf. auch etwas heimatnäher ist. So kam ich nach Hessen zu einer der besten Rettungsdienstorganisationen, die ich bisher in Deutschland kennen lernen durfte.

Aktuell mache ich „Urlaubssemester“ und habe direkt einen unbefristeten Vertrag, ohne Probezeit bekommen (da wir schon viel zusammen gearbeitet haben). Ich kann im folgenden auch nur von der Firma reden, wo ich angestellt bin.

Ich habe eine 60% Stelle, das sind 91h im Monat. Und da fängt es schon an: ich bekomme tatsächlich JEDE (¼) Stunde VOLL bezahlt. Keine 48h Stunden Woche, wo du 40 als Arbeitszeit und die restlichen 8h als Bereitschaftszeit auf der Wache geringer vergütet bekommst.
Dazu gibt es die ganz normalen Zuschläge für Nacht, Feiertag usw.

Das Gehalt ist soweit ich das vergleichen kann und gehört habe überdurchschnittlich gut. Das Grundgehalt ist fast soviel wie ich teilweise mit einer Vollzeit-Stelle hatte.
Wodurch die ganze Sache finanziell interessant wird: neben dem schon sehr guten Grundgehalt gibt es noch Fahrtgeld (30 Cent/km) vom Wohnort zum Einsatzort und von der Unterkunft zur Wache und einen „Verpflegungsmehraufwand“. Diesen bekomme alle Leiharbeiter gesetzlich verpflichtend, also auch z.B. Bauarbeiter, die auf Montage gehen. Das sind pro Tag 24€ und pro Anreisetag 12€. Kann auch ein wenig mehr oder weniger sein, bin mir da gerade nicht so ganz sicher, aber es lohnt sich auf jeden Fall, weil diese Zulage Netto, steuerfrei gezahlt wird.

Für die Rente (an die ich eh nicht glaube #sozialverträglichSterben) kommt dabei nicht ganz soviel rum, aber netto ist das Gehalt sehr fair.

Dafür wird natürlich auch etwas im Gegenzug verlangt: du bist länger von zuhause weg (ohne Kinder geht das noch und meine Frau ist mega entspannt damit).

Wie läuft das ganze jetzt ab?

Durch die Firma bekomme ich meine Einsätze mitgeteilt und den Zeitraum. In der Regel wirst du nicht zwanghaft irgendwo hin geschickt, auch wenn das arbeitsrechtlich natürlich überhaupt kein Problem wäre.
Mein Chef hat mich sogar letztens noch gefragt, ob ich für 2 Wochen woanders hin gehen könnte, ihm wäre jemand krank geworden und er habe dem Kunden jemand für diesen Zeitraum zugesagt. Hab ich gemacht, weil ich es wollte und eine Hand die andere wäscht… Fragen MÜSSEN hätte er mich allerdings nicht, aber die Firmenkultur bei uns ist echt super.

Wenn ich in einem Zeitraum unbedingt frei haben muss, bietet mein Chef mich in dem Zeitraum einfach nicht an und ich kann frei haben. Unsere Firma schließt mit dem Kunden einen Vertrag ab, dessen Detail ich natürlich nicht kenne, aber ich weiß z.B. das wenn jemand von uns krank wird und nicht arbeiten kann, unsere Firma jemand anderes stellen muss oder Vertragsstrafe zahlen muss.

Also zurück: Ich bekomme meinen Einsatzzeitraum und Ort inkl. Unterkunft genannt.
In der Regel kümmert der Kunde (der Rettungsdienstbetreiber) sich um eine Unterkunft für uns Leiharbeiter. Das kann von einer Ferienwohnung mit WLAN aber mitten im Wald im nirgendwo, über Gasstätten mit Fremdenzimmer bis hin zum Hotel alles sein. Wenn etwas gar nicht gehen würde (kam noch nicht vor), würde die Firma sich um eine adäquate Unterkunft kümmern. Das ist auch vertraglich geregelt.

Ich fahre meistens 1 Tag vorm ersten Einsatz zur Unterkunft und richte mich ein. Meistens fahre ich in meiner Freizeit nochmal auf die Rettungswache am Tag vorher, um mir das mal vorher anzugucken und zu wissen wo ich hin muss. Das ist keine Pflicht und absolut mein „Privatvergnügen“!

Die ersten 1-2 Dienste sind Einarbeitungsdienste, wo ich als 3. Mann mit einem mehr oder weniger erfahrenen Kollegen mitfahre. Das reicht mir persönlich auch um die wichtigsten Dinge kennen zu lernen wie: Protokollführung, Patientenanmeldung, Fahrzeug, Rahmenbedingungen usw. (bei Honorardiensten läuft das ja komplett ohne Einarbeitung).

Dann geht es als Verantwortlicher auf den RTW und man hat ganz normal seine Dienste im Rettungsdienst mit Wachaufgaben und dem ganz normalen Alltag. Was ich als ganz angenehm empfinde: ich habe keine verpflichtende Zusatzposition wie Desinfektor oder MPG-Beauftragter. Sobald also Wachaufgaben erledigt sind heißt es nur noch einen guten Eindruck machen und warten was der Tag so bringt.

Die Akzeptanz der Kollegen ist unterschiedlich. In der Bodensee-Region wurde ich voll akzeptiert und war Teil der Wachgemeinschaft.
In Hessen haben viele Kollegen, die allerdings auch ansonsten mit sich und dem Leben eher unzufrieden sind, sich beschwert und mich (teilweise!) nicht akzeptiert.
Sehr schön war auch „warum die Leiharbeiter so viel verdienen und dass das alles ungerecht sei“ sich selbst beantwortet wurde, bevor ich fragen konnte „warum machst du es dann nicht auch?!“, nämlich: „aber gut, ich könnte das nicht, allein schon wegen dem Haus und den Kindern“.

In der Regel ist man aber gut akzeptiert und mir persönlich gefällt die Abwechslung super. Vor allem sollte es an einem Ort mal Probleme geben oder es mir nicht mehr gefallen (z.B. wegen Personellen oder Strukturellen Veränderungen oder was auch immer), kann ich wechseln und hab immer noch den selben, guten Arbeitgeber.

Ich kann Glück und Pech mit den Kunden haben. Zwischen 0-Schicht auf der Landrettungswache und 12h durchfahren in der Stadtrettung ist alles möglich. Wenn möglich wird natürlich der Wunsch des Mitarbeiter berücksichtigt.

Schattenseiten gibt es natürlich auch. Je nach Kunde gibt es erst sehr spät einen Dienstplan. Planen ist damit manchmal etwas schwierig, aber bei jetzt durchschnittlich 8 Dienste pro Monat oder einem vorher bekannten Zeitraum wie 2 Wochen alles machbar. Und falls ich irgendwann mal wirklich frei brauche, sag ich meinem Chef Bescheid.

Bis zum Ende des Jahre bin ich jetzt beim Kunden in Hessen, hoffentlich danach noch weiter. Sicher kann ich mir da nicht sein, auch eine Schattenseite.

Bezüglich anderer RD-Bereich: wenn man mal hier, mal dort gefahren ist, merkt man schnell das es quasi „überall das Gleiche“ ist. Will sagen: es ist machbar. Klar man muss vielleicht auch mal bei der Leitstelle nachfragen, welches das nächst geeignete Krankenhaus ist und es vielleicht am Anfang nicht so schlau mit einem „Anfänger RS“ zu fahren, aber es ist wirklich machbar.

Von anderen Leiharbeitern von anderen Firmen hab ich gehört, die würden teilweise sogar einen Dienstwagen bekommen. Ob das wahr ist und wie sonst deren Arbeitsbedingungen sind kann ich leider nicht beurteilen.

Von der Firma bei der ich angestellt bin, hab ich bisher auch erst 3 andere RA/NFS getroffen, meist eher zufällig, wenn wir beim selben Kunden eingesetzt werden. Auch die anderen berichten durchweg positiv von unserer Firma.

Man muss natürlich sagen, dass es ein Geschäft ist. Wer da wen über den Tisch zieht, weiß ich nicht. Der Markt für RA/NFS ist bekannter Maß offen und hart umkämpft, Stellen gibt es wie Sand am Meer.
Ich weiß z.B. das Kreisverbände unsere Kosten wieder steuerlich absetzen können..

Mir persönlich macht es riesengroßen Spaß und ich bin sehr zufrieden. Mit dem Arbeitgeber, den Arbeitsbedingungen und vor allem dem Gehalt.

Falls ihr noch Fragen habt schreibt mir gerne hier oder bei Twitter @RescueNurse

Ich freue mich auf Fragen und auf Feedback zum Blogbeitrag!


Mittwoch, 26. Juni 2019

Temperatur-Management und Hitzewelle

Liebe Kollegen (m/w/d),

eins der wenigen guten Dinge am #StudentenLeben ist, dass ich zurzeit in der Uni bin und nicht viel arbeite.

Quick and dirty:

E kommt im ABCDE Schema zum Schluß. Ich will auch jetzt nicht auf einzelne thermische Notfälle eingehen (wie @RMamaervar gezeigt hat, auch Hypothermie ist möglich: https://twitter.com/RMamarvar/status/1143430260014374913?s=09).

Ich möchte nur nochmal kurz auf ein mir wichtiges Thema eingehen: Temperatur-Management.

Ganz wichtig: Ja, UNS IST WARM. Das ist aber keine Grundlage, dass das beim Patienten auch so ist!
Also, es ist heiß, wir arbeiten und uns wird verdammt schnell warm und wir schwitzen. Selbst beim Kacken.
Wenn wir jetzt noch einen Patienten wirklich RETTEN und ggf. noch Schutzkleidung, brauchen wir lange, bis wir wieder abkühlen. Natürlich stellen wir die Klima im RTW oder sonst wo auf "so kalt wie möglich".

Bitte denkt trotzdem dran: der Patient ist krank, vielleicht entkleidet. Ggf. Schock, Blutverlust, was auch immer. Wärmeerhalt KANN also auch trotzdem eine notwendige Maßnahme sein!
Messt die Temperatur, denkt dran, dass eure Hitze, nicht dem Patienten seinen Wäremhaushalt wieder gibt.

Selbiges gilt auch für den OP. Narkose, Gefäßdilatation, Blutverlust, Alter, soviele Faktoren. Zumindestens ein Temperatur-Monitoring sollte drin sein.

Wie oft hörte und höre ich den Satz "ABER MIR IST WARM". Das ist KEIN ARGUMENT.

Wie es heißen sollte: "Mir ist warm, wie ist das beim Patienten?"

Ansonsten passt auf euch auf!

Dienstag, 4. Juni 2019

Yin und Yang des Medizin-Studium

Ich habe lange überlegt, was der erste Beitrag in meinem Blog sein soll. Den ersten Beitrag über das Thema „Holster und Zusatzmaterial im Rettungsdienst“ inspiriert von Jürgen Gollwitzer habe ich zwar geschrieben, aber nicht veröffentlicht. War mir zu blöde.
Dann hab ich als weiter überlegt, viele Ideen und doch so wenig Zeit oder Ahnung.

Da ich momentan wieder in alte Verhaltensmuster in meinem Studium zurückfalle und mir dies bezüglich soviel auf der Seele brennt, schreib ich dies nun wie es mir in den Sinn kommt einfach nieder.

Wie der Titel schon sagt: Yin und Yang. Es gibt Gutes und vieles Schlechtes im Studium. Nicht alles ist schlecht, nicht alles gut. Alles hat mehrere Blickwinkel und mehrere Seiten…

Fangen wir doch vor dem Studium an: die erste große Hürde beim Medizin studieren ist heute überhaupt erst einmal einen Studienplatz zu bekommen.
Die Wartesemester sind bei weit über 14 Semester zurzeit. Das sind 7 Jahre! In der Zeit kann man zwei Ausbildungen machen oder mit dem Studium schon fertig sein…
Wir haben Ärzte-Mangel und kaum Studienplätze, die nach einem sehr fragwürdigen System verteilt werden. Aufgrund einiger Vollidioten / Eliäten soll dieses System sogar noch verschlechtert werden (Abschaffung der Wartzeit u.a.).
Die Abiturnote als Hauptqualifikation für das Studium ist einfach nicht mehr zeitgerecht. Die Frage ist, was will ich am Ende für Ärzte raus haben? Tatsächlich hat im PsychSoz Unterricht mal ein Dozent gesagt: „wir brauchen mehr 1er Abiturienten im Studium und weniger beruflich Qualifizierte“, woraufhin eine Studentin meinte: „Ja, wir brauchen mehr Elite Ärzte, die ihr Studium mit Bestleistungen abschließen“… Ja WHAT THE FUCK?! Mehr schreib ich dazu nicht.

Klar eine gute Abiturnote KANN ein Indiz dafür sein, dass man in Regelstudienzeit studiert und akademische Ansprüche erfüllt. Stichwort Bulimie lernen ohne Verständnis.
Im 3. Staatsexamen nach dem PJ wird dann die Clavicular abgetastet, obwohl die Schilddrüse untersucht werden soll und das ist KEIN Witz!

Auch ansonsten was da für respektlose Gestalten im Studium auftauchen. Keine Manieren, kein Respekt. Kein Wunder, dass einige Dozenten das am Rest auslassen… Von der Sozial-Kompetenz ganz zu schweigen. Woher soll die mit 18 auch kommen? NATÜRLICH sind nicht alle „jungen“ Studenten so! Ich kenne einige 18 jährige die für ihr Alter schon gute Sozialkompetenzen haben und sehr „reif“ sind.

Um das ganze etwas abzukürzen: Ich finde die berufliche Qualifikation sollte eine viel größere Rolle spielen. Wer bereit ist vor seinem Studium erst einmal eine Ausbildung zu absolvieren, kann sich das Studium nicht nur zum Teil selbst finanzieren, sondern hat bereits erste wichtige, praktische Erfahrung gesammelt, auch was „Lebenserfahrung“ an geht. Wer danach immer noch studieren will, will es auch wirklich und wir arbeiten eh alle bis mindesten 78...
Apropos Finanzierung: meine Verlobte ist letztens ernsthaft von einer jüngeren Studentin gefragt worden: „Wie, finanzieren deine Eltern dich nicht?“ Nein, wir kommen beide aus der heute fast nicht mehr existenten „Mittelschicht“… Aber anderes Thema.

Wer nun einen begehrten Studienplatz bekommen hat, darf sich erst mal glücklich schätzen. Oder auch nicht…
Die Vorklinik ist hart und scheiße. Das Wissen alle, die Medizin studieren oder studiert haben. Aber auch in jedem anderen Studiengang sind die ersten 3-4 Semester zum aussieben bzw. filtern.
Selbst wenn du hoch motivierst und lern- sowie leistungsbereit bist, merkst du ziemlich bald den Druck. Aber das soll ja vermutlich schon mal auf die Zeit als Assistenzarzt vorbereiten, in der es ja heute „normal“ ist immer latent überfordert zu sein.

Für „junge Studenten“ die gerade vom Abi kommen, mag die Anpassung schnell erfolgen, aber selbst die merken schnell den enormen Druck, der meistens nicht ohne Folgen bleibt. Die einen Saufen regelmäßig soviel, dass man jedem Patient einen sehr langen Vortrag halten würde. Auch Drogen sind keine Seltenheit, aber dazu komm ich noch.

Für die etwas „älteren“ Studenten, die in der Wartezeit oft schon eine oder zwei Ausbildungen absolviert haben, ist vor allem der Kontrast von „beruflicher Wertschätzung und Kompetenz“ auf „Student ohne Rechte und Kompetenzen“ (überspitze Darstellung) schwierig.

Zu mindestens ging es mir und meiner noch Freundin so. Noch, weil wir bald heiraten, bei allen die ich kenne, die mit einer Beziehung ins Studium gestartet sind, ist keiner mehr mit dem ursprünglichen Partner zusammen oder hat überhaupt noch einen Partner (m/w/d). Aber das ist ein Opfer, dass man bringen muss, wenn man Arzt werden will, so erzählt man sich zu mindestens.

Naja zurück zur gefühlten Abgabe jeder Rechte oder Wertschätzung.
Auch hier Yin und Yang: natürlich gibt es die Profs, die ehrlich sind, die motivierend und inspirierend sind. Und auch die an der Uni Mainz verhassten, bösen, Physiker sind in Wahrheit sehr fair. Hier ist es einfach das bei den Studenten verhasste Fach und das „Gelaber“, was es von Studenten immer gibt. „In der letzten Physik-Klausur kamen 4 Fragen zu Strahlung“. Die Physiker stellen als einziges Institut ihre Altklausuren online, was eine wirklich gute Vorbereitung auf die Klausur ermöglicht und ich hab nachgeguckt: in der „letzten“ Klausur kamen genau die selben 2 „Strahlen-Fragen“, wie immer. Es wird soviel Mist erfunden von Studenten… und die Klausur dieses Semester wird immer die schwierigste, mit absolut neuen Fragen sein…

Es sind aber solche Rahmenbedingen, wie die Tatsache, dass man seinen Stundenplan erst ca.(!) 14 Tage vor Vorlesung und Unterrichtsbeginn bekommt. Bei Nachfrage wird dann direkt genervt abgewimmelt. Ein hoch Komplexer Prozess, der von einem Computer erfolgt, denn man nicht beschleunigen kann…
Aber besonders die Studenten ohne wohlhabende Eltern oder Stipendium, sind darauf angewiesen „nebenbei“ zu Arbeiten. Meine Freundin macht seit dem 1. Semester JEDEN Freitag Nachtdienst, um sich irgendwie das Studium zu finanzieren. Wie erwähnt, wir kommen beide aus der „Mittelschicht“.

Tauschanfragen sind zu arbeitsintensiv und werden in der Vorklinik kategorisch abgelehnt. Wenn du dich mit der Sekretärin gut stellst und es vernünftig (!) begründen kannst, ist aber auch mal was machbar.
Außer bei Frau B., Sekretärin mit Dr. Titel, die menschlich soviel Leid durchgemacht haben muss, dass jeder Dämon aus der Hölle mehr Seele hat als diese Frau.

Übrigens (Zitat einer anderen Sekretärin): Beerdigungen müssen geplant werden! Gut ich kann verstehen, dass es genug dreiste Studenten gibt, die das als Ausreden vorbringen, aber nicht jeder von uns ist so dreist oder lügt…

In der Klinik wird es auch nicht besser, aber anders und vor allem unorganisierter: auch eins, von vielen, aktuellen Beispielen: Wahlpflichtwoche. Kommilitonin bekommt Donnerstag einfach eine E-Mail, dass das Wahlpflichtfach ausfällt und sie einem anderen zugewiesen wird. Bei dem neuen Fach ist aber auch Freitags Veranstaltung (bei dem anderen Fach war Freitag frei), dementsprechend plant man ja auch seine Freizeit evtl. auch Arbeit.
Die Sekretärin geht verfrüht ins Wochenende und du stehst dumm da… Ist ja egal, du bist zugeteilt und du willst den Schein, nicht die Uni. Haste halt Pech, wenn du Freitag arbeiten musst...

In einem anderen Wahlpflichtfach sind noch 6 Plätze frei und zwar in dem Fach, wo meine Freundin trotzt hoher Priorität keine Platz bekommen hat… Alles sehr intransparent, aber das geht uns Studis ja auch nichts an.

Solche Beispiele könnte ich „endlos“ fortsetzen...

Wenn man im 4. Semester noch in Regelstudienzeit sein sollte (so ca. 40% an unserer Uni), hat man einen Hammer-Tag in der Woche: morgens um 09.00 Uhr bis abends um 18.40 Uhr mit weniger als 0,5 Pause (insgesamt!), was dem Rahmenplan entspricht. Bekommst du arbeitsrechtlich nirgendwo durchgesetzt, als Student kein Problem.
Solche Beispiele gibt es viele. Natürlich gibt es Fachschaften, Asta und Ausschüsse, aber was für Möglichkeiten haben wir Studenten wirklich? Streiken? Ha. Wir brauchen oder zumindest wollen den Studienabschluss mehr, als dass die Uni uns braucht…

Achja Klagen kann man. Tun auch viele. Also zu mindestens Medizin-Studis. Leider sehr oft und teilweise so dumm, dass die anderen Studierenden die leidtragenden sind.
Bestes Beispiel: früher konnte man 6 mal (!) die Physik-Klausur schreiben. Irgendein Idiot hat aus irgendeinem dummen Grund, an den ich mich nicht mehr genau erinnere, geklagt. Tja, da hat man dann festgestellt, dass das was die Physiker da gemacht hatten tatsächlich falsch war:
als Mediziner hat man nur 3 Versuche pro Fach laut Studienordnung. Tja tolles Eigentor.
Laut Prof. im Seminar: aktuell noch 200 offene Klagen von Mediziner, allein bei uns an der Uni…

Wo ich gerade bei Leistungsnachweisen bin: Kreuzen. Die meisten Klausuren sind Multiple Choice Aufgaben. Eins der schwachsinnigsten Prüfungsformate. Du hast schon eine 20% Chance richtig zu liegen, ohne irgendwas zu wissen. Auch später das IMMP (Prüfungsamt für Medizin) stellt Kreuz-Aufgaben. Was ein scheiß System, da kommen leider auch viel zu viele durch, die keine Ahnung haben...

Diese MC-Aufgaben kann man durch Wort Spitzfindigkeiten echt schwierig machen, ohne das man Wissen prüft. Selbst wenn man es auf 2 Fragen runter reduzieren kann, ist es teilweise noch sehr schwer. Denn wenn man gutes Wissen hat, können 2 Antworten Sinn machen und man kann für beide Antworten sinnvoll argumentieren, da man Wissen hat. Das wird mit diesem System aber nicht abgeprüft.

Hier ein Link, wie man das optimieren könnte, damit auch Leute weiter kommen, die gelernt haben und etwas können, MC Aufgaben aber einfach scheiße finden:



Die ganze Lehre ist aber eh sehr unstrukturiert: ein Organ hier, ein Stoffwechsel da, aber keine Zusammenhänge und vor allem sinnvolle Verknüpfungen… Dann kann man einige Kurse auch nur im Sommer oder Wintersemester belegen, schaffst du eins nicht kannst du auch nichts vorziehen…

Ich habe mich von Anfang an in mein Studium rein gekniet. So richtig. Es wurde mir von Anfang an suggeriert, dass man nur mit Fleiß und „übermenschlicher“ Leistung dieses Studium schafft. Tja. Ich hab die ersten beiden Semester 7 Tage die Woche gelernt. Jeden Tag. Druck. Druck. Druck. So formt man ja bekannterweise Diamanten.

Das es natürlich so gar nicht geklappt hat und ich nur einen Teil der Klausuren bestanden habe ist im Nachhinein nicht verwunderlich.
Ich hatte das erste mal in meinem Leben Prüfungsangst. Zwar nicht so schlimm wie manch andere, aber für mich so sehr sehr, dass ich mir Hilfe gesucht habe.

Die Psycho-Therapeutische Beratungsstelle hat hierzu einen ganz tollen Kurs und auch Einzelberatungen, der mir sehr viel gebracht haben. Mittlerweile ist Samstag mein Erholungstag, an dem ich nichts mache, außer das worauf ich Lust habe. Und trotzdem bringe ich noch viel Leistung und Energie für mein Studium auf.
Immer wieder falle ich in alte Verhaltensmuster zurück. Ist aber auch kein Wunder. In der Uni bekommt man immer wieder viel Bullshit eingetrichtert und auch das „soziale Leben“ dort ist sehr Uni fixiert und steckt leicht wieder an.

Viele kommen mit dem Druck nicht klar und suchen sich keine Hilfe. Das sind dann die Alkohol und teilweise Drogen Exzesse. Ritalin im einen Semester und Beta Blocker zur Prüfung. Alles keine Seltenheit. Redet halt keiner drüber.

Vorweg: ich trinke keinen Alkohol (schon vor dem Studium nicht) und ich habe es bis jetzt ohne Medikamente oder Drogen durch Studium geschafft.

Aber selbst ich hab zwischendurch ernsthaft daran gedacht Medikamente zu nutzen. Ungefähr so wie Data kurz überlegt hat zu den Borg überzulaufen (Star Trek Erster Kontakt).
Ich bin ja schließlich vom Fach und weiß, was ich da tue.

Gefährliches denken! Ich bin zum Glück so selbstreflektiert dies zu erkennen. Ich will auch gar nicht etwas schaffen, nur mit Hilfe von Medikamenten oder Drogen. Dann muss ich entweder was im System oder an mir ändern! Aber der Gedanke ist natürlich trotzdem da gewesen und auch verlockend. Beta Blocker ein paar Wochen vor der Prüfung oder ein Benzo um mal abzuschalten nachts. Das kann ganz schnell auch in eine psychische Abhängigkeit führen.

Selbst wenn man „nur was pflanzliches“ wie Johanniskraut nimmt, am Ende bildet man sich schnell ein es nur so zu schaffen oder ähnliches.
Ich gebe auch zu, dass ich schon 3 mal in den letzten beiden Jahren (also insgesamt 3 Nächte) ein Benzo zum Schlafen genommen habe, da ich gar nicht mehr konnte. Absolute Ausnahmefälle, aber ich will nicht wissen, wie das bei manch anderen aussieht. Über so was redet man ja auch nicht so gerne, man ist ja ungern schwächer als die anderen...

Auch auf Twitter ganz aktuell drüber geredet…

Zurzeit schlafe ich Aufgrund des Stresses auch wieder schlecht, trotzdem würde ich kein Benzo nehmen. Die Gefahr der Abhängigkeit ist mir viel zu groß und außerdem will ich einfach nicht. Eher würde ich das Studium abbrechen.

Apropos Studium abbrechen. Ich bin mir sicher, dass jeder Student während des Semester mindestens einmal drüber nachdenkt, ich auch!
Ein guter Freund, den ich vor dem Studium gefragt habe ob er mein Mentor fürs Studium sein könnte, hat mir hierfür folgende Frage mitgegeben:
„Was willst du anstelle machen? Was macht dich auf Dauer glücklicher und was ist die Alternative? Wenn du mir das rational beantworten kannst, wechsle sofort!“

Tja und diese Frage kann ich tatsächlich nicht wirklich gut beantworten. Klar, ich könnte mich zum NFS weiter qualifizieren, bin am Ende dann aber wieder von lokalen Standards und Notarzt Entscheidungen abhängig. Anästhesiepflege ist halt auch so lalala wenn du lieber die Medizin dabei machen willst…

Auch Twitter spielt hier eine große Rolle: all die ganzen Leute, die zeigen was moderne, evidenzbasierte (Notfall)Medizin kann. Das FOAM nur als ein Beispiel, aber auch all die vielen tollen Leute, die eine Vision haben und sich ständig verbessern wollen. Und am Ende natürlich auch um eine Clamshell Thorakotomie machen zu dürfen (Insider)…

Letztendlich sehe ich nur die Möglichkeit mich und meine Fähigkeiten zu verwirklichen, indem ich Arzt werden. Oder ich müsste in ein komplett anderes Gebiet wechseln :-D Beamter auf der Verbandsgemeinde scheint mir ganz entspannt zu sein…

Aber auch als Arzt gibt es nachher Nischen, in denen man entspannt Geld verdienen kann, ob das dann erfüllend ist, ist eine andere Frage.

Das Thema hat natürlich sehr viele Facetten. Der Text eh schon sehr lange. Aber natürlich gibt es auch positive Seiten: Semesterferien, freiere Zeiteinteilung teilweise, später dann spannende Famulaturen usw.

Achja und ich weiß, dass ich „privilegiert“ bin und viel Glück gehabt habe: männlich, weiß, Stipendium gehabt usw. Mal davon abgesehen, dass ich direkt bei meiner 1. Bewerbung mit 26 einen Studienplatz bekommen habe (tatsächlich wollte ich nie Medizin studieren und daher vorher keine Attenuationen gehabt), konnte ich auch mit meiner Freundin zum selben Semester an der selben Uni das Studium beginnen (ja, wir haben uns vorm Studium kennen gelernt und sind immer noch zusammen).

Trotzdem ist es schwierig und teilweise unter aller Sau. Von beiden Seiten: Uni die Steine in den Weg legt, Studenten die respektlos im Unterricht sind, um nur je eins von vielen Beispielen zu nennen.

Deswegen Yin und Yang: alles hat seine Licht und Schatten-Seiten. Am Ende muss man sich das Ziel vor Augen halten: Arzt werden!

Für die, die vom Studium geplagt sind, hier noch ein paar Tipps:

- holt euch Hilfe, wenn es gar nicht mehr geht

- bleibt dran, hier ist das Ziel der Weg

- gönnt euch Erholung, mindestens ein Tag die Woche frei (Uni ist nichts anderes wie Arbeit in dem Fall)

- haltet euer Selbstwertgefühl hoch, nicht ihr seid scheiße, sondern das System!

- die Wertschätzung eurer Person ist leistungsunabhängig! Ganz wichtig: eure (wahren) Freunde mögen euch wegen eurer Persönlichkeit, nicht eurer Leistung und Studium oder Beruf


Ich hab so viele Freunde, die zwar in Regelstudienzeit sind, aber so gelitten haben. Und auch bei vielen anderen habe ich pathologische, psychische Verhaltensweise aufgrund des Studiums gesehen… Fragt euch einfach: ist es das Wert? Wichtig ist zu verstehen, dass es neben der Uni auch noch ein weiteres Leben gibt, immer. Wenn ich 100% für Studium gebe, wo soll nach Zeit und Energie sein, wenn man was „außerhalb der Reihe“ passiert, was im Leben immer passiert. Sei es „nur“ die Waschmaschine die kaputt geht.

Wo wir auch noch beim finanziellen wären: wer kein Kredit aufnimmt, Bafög bekommt oder von den Eltern finanziert wird kennt dieses latente Gefühl irgendwo zwischen Hartz 4 und Obdachlosigkeit zu leben. 1 Zimmer große Wohnungen in Studentenstädten zu finanzieren ist manchmal schwieriger, als einfach ein Wohnmobil zu kaufen. Hier bin ich einfach froh, dass wir zu zweit studieren und so finanziell, aber auch moralisch unterstützen können. Ich weiß nicht, wie andere das machen…

Es gibt noch soviel mehr zu sagen und zu beleuchten, aber ich hab schon soviel Text geschrieben, vielleicht zu anderer Zeit nochmal was dazu.


Zukünftige Blogbeiträge werden (vielleicht?!) kürzer. Ihr könnt euch schon auf folgende Themen freuen:

- #fuckupfriday: persönliche Fails, Lehren daraus und offene Fehlerkultur

- Melatonin: das Schlafhormon, warum die Pharmaindustrie es nicht vermarktet und die Vorteile von Melatonin

- Nabelschnur Zugang #FOAM

- Eigenschutz im Rettungsdienst #FOAM

- warum nicht alle amerikanische Cops Rassisten sind und was wir lernen können

- politische Überkorrektheit und warum wir alle weniger empfindlich sein sollten. Die Welt ist das wofür wir sie halten

- Karma und warum jeder von uns die Welt retten kann



Ich hoffe euch hat der erste Blogbeitrag gefallen. Eine sachliche Diskussion ist bei diesem subjektiven Themen sicherlich schwierig, aber ich freue mich auf den Austausch mit euch! Und falls irgendjemand Hilfe zum Thema Medizin Studium braucht stehe ich gerne zur Verfügung (Tipps, Tricks, Alltag und Studium)!


Freue mich über Feedback!

RescueNurse TS











Mein Lebens als Leiharbeiter im Rettungsdienst

da viele Interesse an meiner Tätigkeit als Leiharbeiter im Rettungsdienst haben und ich auch gerne darüber berichte: hier mein Blogbeitrag...